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Streiten für die Umwelt
Neue Formen der Bürgerbeteiligung sollen Konflikte in der Umweltpolitik regeln
Der Verdruß der Bürger über Politik und Verwaltung hat oft
einen ganz konkreten Anlaß. Ob es nun um die Sanierung von Altlasten geht
oder eine neue Umgehungsstraße gebaut wird, ob sich eine Kommune überlegt,
wie sie in Zukunft mit ihrem Müll umgehen will oder ob ein Naturschutzgebiet
entstehen soll: Sobald Politiker oder Behörden Eingriffe in die Umwelt planen,
gibt es Ärger mit den Bürgern. Da stehen sich dann Bürgerinitiativen,
Umweltverbände, Vertreter von Unternehmen und Genehmigungsbehörden unversöhnlich
gegenüber. Solche Umweltkonflikte sind nicht nur teuer und langwierig, weil
die politische oder Verwaltungsentscheidung häufig vor Gericht angefochten
wird; nicht selten bleiben auch die Umweltinteressen auf der Strecke, und besonders
bei größeren Projekten kann die Situation eskalieren. Wenn sich die
Betroffenen, sprich Anwohner oder andere an der Sache Interessierte, bei Planungs-
und Genehmigungsverfahren kein Gehör verschaffen können, dann bleibt
oft nur der Protest, und zwar in allen erdenklichen Formen.
An der Universität Oldenburg untersuchen
Prof. Dr. Horst Zilleßen
und seine Mitarbeiter neue Methoden der Konfliktregelung, die solche verfahrenen
Situationen erst gar nicht entstehen lassen. Mediation
lautet das Zauberwort für die Verfahren, mit denen man nach langjährigen
guten Erfahrungen in den USA jetzt auch in Deutschland versucht, Umweltkonflikte
zu regeln. Auf deutsch heißt "Mediation" soviel wie "Konfliktmittlung".
Engagierte und betroffene Bürger sollen direkt mit Experten, Wirtschaftsvertretern,
Politikern und Verwaltungsmitarbeitern ins Gespräch kommen. Moderiert wird
das Ganze von einem professionellen Konfliktmittler, der Mediatorin oder dem Mediator.
Die Oldenburger Politikwissenschaftler wollen zeigen, ob und wie Mediation in
das politische System Deutschlands paßt. Dabei geht es vor allem darum,
wie die Entscheidungsverfahren ablaufen müssen, damit die Konfliktparteien
Entscheidungen akzeptieren und die Umweltpolitik nicht am Widerstand der Betroffenen
scheitert. Das Forschungsprojekt profitiert dabei sicherlich auch von den praktischen
Erfahrungen des Leiters Horst Zilleßen, der in Deutschland zu den Umweltmediatoren
der ersten Stunde gehört.
Mittlerweile haben immer mehr Bundesländer und Gemeinden ihre ersten
Erfahrungen mit Umweltmediation gemacht. Bürger und Experten beraten an einer
Vielzahl von "Runden Tischen" gemeinsam mit Verwaltungsbeamten und Politikern
zum Beispiel über ein Programm für eine nachhaltige Entwicklung der
Kommune, eine sogenannte lokale Agenda für das 21. Jahrhundert. Aber auch
Konflikte zu Einzelfragen, vom Verkehrskonzept über das Abfallwirtschaftsprogramm
bis zur Standortsuche für eine Müllverbrennungsanlage, sollen in den
Verfahren fair und sachgerecht geregelt werden. Dabei geht es zunächst um
den sachlichen Austausch von Argumenten und die Respektierung der jeweiligen Interessen.
Kompromisse und neue Lösungen können aber auch regelrecht ausgehandelt
werden. Die entscheidende Neuerung bei Mediationsverfahren besteht neben der Rolle
des Mittlers darin, daß die Bürger viel früher in den Entscheidungsprozeß
einbezogen werden als es rechtlich vorgeschrieben ist; so früh, daß
noch nicht alles zwischen Verwaltung und Vorhabenträger entschieden ist.
Am Ende soll in jedem Fall eine möglichst breit akzeptierte Empfehlung
stehen, die dann an die zuständigen Politiker oder Behörden weitergegeben
wird. Die sitzen zwar in aller Regel mit am Verhandlungstisch, ob sie die Ergebnisse
des Mediationsverfahrens aber auch umsetzen, ist häufig offen. Nach ersten
Ergebnissen des Forschungsprojektes tun sich gerade Politiker schwer damit, die
Bürger so direkt mitreden zu lassen. Die Wissenschaftler der Universität
Oldenburg zeigen aber, daß die neuen Konfliktregelungsformen durchaus in
das rechtliche und politische Umfeld der Bundesrepublik passen. Für die deutschen
Amtsstuben und die politische Kultur im Lande bedeuten sie einen regelrechten
Modernisierungsschub.
Das Projekt "Die Bedeutung von Verhandlungs- und Vermittlungsverfahren für
die Zukunftsfähigkeit umweltpolitischer Entscheidungen" wird von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms "Mensch und globale
Umweltveränderungen" gefördert.

Kontakt: Prof.
Dr. Horst Zilleßen, Institut
für öffentliche Planung, Fachbereich
3 Sozialwissenschaften, Universität
Oldenburg, 26111 Oldenburg, Tel: 0441/798-2186, e-mail: Horst.Zillessen@uni-oldenburg.de

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